EuGH, Urteil vom 21.12.2021 – C -394/20- (Beschränkte Steuerpflicht: Zwar unionsrechtmäßige Freibetragsminderung, aber unionsrechtswidriger begrenzter Abzug von Nachlassverbindlichkeiten)
Zentrale Normen: AEUV Art. 63 u. 65; ErbStG § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 S. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 37 Abs. 14; BGB § 2311
- Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage gegenüber dem Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat gehabt hätte, um einen Betrag gemindert wird, der dem Verhältnis des Wertes des nicht der Steuer in diesem Mitgliedstaat unterliegenden Vermögens zum Gesamtwert des Nachlasses entspricht.
- Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Nachlasswert abzugsfähig sind, während diese Verbindlichkeiten vollständig abgezogen werden können, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte.
Zum Sachverhalt:
Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen XY und dem FA V (Deutschland) über die Berechnung der Erbschaftsteuer auf in Deutschland belegene Grundstücke.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist österreichische Staatsangehörige und wohnt in Österreich. Sie ist die Tochter von E, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger war, in Österreich wohnte und am 12.8.2018 verstarb. E war Eigentümer dreier bebauter Grundstücke sowie eines unbebauten Grundstücks in Deutschland. Er hatte ein Testament errichtet, mit dem er seine Tochter zu seiner Alleinerbin einsetzte, während seine Ehefrau und sein Sohn Anspruch auf einen Pflichtteil hatten.
Nach dem Tod ihres Vaters verpflichtete sich die Klägerin in einem Pflichtteilsübereinkommen, ihrer Mutter und ihrem Bruder Beträge von 1,7 Mio. EUR und 2,85 Mio. EUR zur Berichtigung ihrer Pflichtteilsansprüche zu zahlen. Sie beantragte in ihrer beim FA V abgegebenen Erbschaftsteuererklärung, die Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen iHv 43 %, mithin iHv insgesamt 1.956.500 EUR, vom Wert ihres Erwerbs von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Der in Deutschland der Erbschaftsteuer unterliegende Teil des Grundvermögens mache 43 % des Gesamtwerts des Nachlassvermögens iHv 11.592.598,10 EUR aus, zu dem auch Kapitalvermögen und ein in Spanien belegenes Grundstück gehörten.
Das FA setzte die von der Klägerin geschuldete Erbschaftsteuer auf 642.333 EUR fest. Dabei unterwarf es nur die in Deutschland belegenen Grundstücke der Besteuerung. Den Abzug der Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten lehnte es mit der Begründung ab, dass diese nicht iSv § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den zum Nachlassvermögen gehörenden Grundstücken stünden. Ferner berücksichtigte es bei der Berechnung der Erbschaftsteuer anstelle des für die Kinder des E an sich nach § 16 Abs. 1Nr. 2 ErbStG vorgesehenen Freibetrags von 400.000 EUR einen nach § 16 Abs. 2 ErbStG geminderten Freibetrag.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass sie Anspruch auf den vollen Freibetrag nach § 16 Abs. 1Nr. 2 ErbStG habe, da § 16 Abs. 2 ErbStG unionsrechtswidrig sei. Das Gleiche gelte für die Weigerung, den Abzug des Wertes der Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen als Nachlassverbindlichkeit in Höhe des von ihr berechneten Betrags ganz oder anteilig zuzulassen.
Das vorlegende Gericht gibt an, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits davon abhänge, ob § 16 Abs. 2 und § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG, die im Fall der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht Anwendung fänden, wenn unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zum Zeitpunkt des Todes weder der Erblasser noch der Erbe ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten, mit Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV vereinbar seien (FG Düsseldorf v. 20.7.2020 – 4 K 1095/20 Erb, DStRE 2021, 30).
Als Erstes weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass § 16 Abs. 2 ErbStG vom deutschen Gesetzgeber als Reaktion auf das Urteil v. 8.6.2016, Hünnebeck (C-479/14, ECLI:EU:C:2016:412, DStR 2016, 1360), eingeführt worden sei. Nach dieser Bestimmung und nach § 37 Abs. 14 ErbStG sei bei Erwerben von Todes wegen, bei denen der Steuertatbestand nach dem 24.6.2017 eingetreten sei, der Freibetrag nach § 16Abs. 1 ErbStG um einen nach Maßgabe des § 16Abs. 2 ErbStG zu berechnenden Betrag zu mindern. Das vorlegende Gericht hat allerdings Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Neuregelung mit Art. 63 Abs. 1und Art. 65 AEUV in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof.
Als Zweites fragt sich das vorlegende Gericht, ob § 10Abs. 6 S. 2 ErbStG mit diesen Bestimmungen vereinbar sei. Im Rahmen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht habe das FA nur das inländische Grundvermögen der Besteuerung unterworfen. Insoweit erlaube es § 10 Abs. 6 ErbStG der Klägerin nicht, von ihrem Erwerb von Todes wegen den Wert der von ihr zu erfüllenden Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen ihrer Mutter und ihres Bruders gemäß § 10 Abs. 5 ErbStGals Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Nach der Rechtsprechung des BFH liege ein wirtschaftlicher Zusammenhang, der nach § 10 Abs. 6 für die Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten erforderlich sei, nur vor, wenn diese bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen zugeordnet werden könnten. Nach dieser Rechtsprechung begründe aber die Tatsache, dass der Pflichtteil gemäß § 2311 BGB nach dem Wert des Nachlasses bemessen werde, keinen solchen wirtschaftlichen, sondern allenfalls einen rechtlichen Zusammenhang. Wenn E oder die Klägerin zur Zeit des Erbfalls einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätte, läge ein Fall der unbeschränkten Steuerpflicht der Klägerin des Ausgangsverfahrens vor und diese könne die Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen als Nachlassverbindlichkeiten uneingeschränkt gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG von ihrem Erwerb von Todes wegen abziehen.
Unter diesen Umständen hat das FG Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
- Sind Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der Erbe zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte?
- Sind Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der Erbe zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hatten, nicht abziehbar sind, während diese Verbindlichkeiten vollständig von dem Wert des Erwerbs von Todes wegen abziehbar wären, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe zu dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte?
Zu den Vorabentscheidungsfragen:
Zur ersten Frage
26 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage gegenüber dem Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat gehabt hätte, um einen Betrag gemindert wird, der dem Verhältnis des Wertes des in diesem Mitgliedstaat nicht der Besteuerung unterliegenden Vermögens zum Gesamtwert des Nachlasses entspricht.
27 Nach stRspr des Gerichtshofs fällt die direkte Besteuerung zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese müssen diese Zuständigkeit jedoch unter Beachtung des Unionsrechts und insbesondere der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben (vgl. insbes. Urteile v. 23.2.2006 – C-513/03, van Hilten-van der Heijden, ECLI:EU:C:2006:131, DStRE 2006, 851 Rn. 36 und die dort angeführte Rspr.; v. 3.3.2021 – C-220/19, Promociones Oliva Park, ECLI:EU:C:2021:163, BeckRS 2021, 3138 Rn. 73; v. 29.4.2021 – C-480/19, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö, ECLI:EU:C:2021:334, BeckRS 2021, 8923Rn. 25).
28 Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern.
29 Die Steuer auf Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, fällt unter die Bestimmungen des AEUV über die Kapitalverkehrsfreiheit; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (Urteil v. 26.5.2016 – C-244/15, Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:2016:359, BeckRS 2016, 81059 Rn. 25).
30 Eine Situation, in der ein Mitgliedstaat Erbschaftsteuer auf in seinem Hoheitsgebiet belegene Nachlassgüter erhebt, die einer zum Zeitpunkt ihres Todes nicht in diesem Mitgliedstaat wohnhaften Person gehören und einem ebenfalls gebietsfremden Erben zustehen, kann nicht als rein innerstaatlicher Sachverhalt angesehen werden. Eine solche Situation ist daher dem Kapitalverkehr iSv Art. 63 Abs. 1 AEUV zuzurechnen.
31 Daher ist zu prüfen, ob eine nationale Regelung, die im Fall der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht eine Minderung des Freibetrags auf die Steuerbemessungsgrundlage vorsieht, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs iSv Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt und wenn ja, ob diese Beschränkung gerechtfertigt ist.
Zum Vorliegen einer Beschränkung iSv Art. 63AEUV
32 Zu den Maßnahmen, die bei Erbschaften Beschränkungen des Kapitalverkehrs darstellen, gehören solche, die eine Wertminderung des Nachlasses dessen bewirken, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dessen Gebiet sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden (Urteil v. 17.10.2013 – C-181/12, Welte, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269 Rn. 23 und die dort angeführte Rspr.).
33 Nach der vorliegend im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung ist, wenn ein Nachlass in Deutschland belegene Immobilien umfasst und weder der Erblasser noch der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls in diesem Mitgliedstaat wohnhaft sind, der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage niedriger als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommenwäre, wenn der Erblasser oder der Erbe zu diesem Zeitpunkt in diesem Mitgliedstaat gewohnt hätte. Dieser Freibetrag wird nämlich um einen Betrag gemindert, der dem Verhältnis des Wertes des in diesem Mitgliedstaat nicht der Besteuerung unterliegenden Vermögens zum Gesamtwert des Nachlasses entspricht.
34 Folglich führt eine solche Regelung dazu, dass Erbschaften zwischen Gebietsfremden einer höheren steuerlichen Belastung unterliegen als solche, an denen zumindest ein Gebietsansässiger beteiligt ist, und bewirkt daher eine Wertminderung des Nachlasses. Daraus folgt, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine Beschränkung des Kapitalverkehrs iSv Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt (vgl. ua Urteil v. 17.10.2013 – C-181/12, Welte, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269 Rn. 25 u. 26).
Zum Vorliegen einer Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nach Art. 65 AEUV
35 Aus Art. 65 Abs. 1 AEUV iVm dessen Abs. 3 ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen unterscheiden dürfen, sofern diese Unterscheidung weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.
36 Daher ist zwischen nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV erlaubten Ungleichbehandlungen und nach Art. 65Abs. 3 AEUV verbotenen willkürlichen Diskriminierungen zu unterscheiden. Insoweit kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Regelung nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die unterschiedliche Behandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. idS Urteil v. 30.6.2016 – C-123/15, Feilen, ECLI:EU:C:2016:496, DStRE 2016, 1175 Rn. 26 und die dort angeführte Rspr.). Im letzteren Fall muss die unterschiedliche Behandlung geeignet sein, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. idS Urteil v. 22.11.2018 – C-679/17, Huijbrechts, ECLI:EU:C:2018:940, BeckRS 2018, 29344 Rn. 30 und die dort angeführte Rspr.).
Zur Vergleichbarkeit der fraglichen Situationen
37 Die deutsche Regierung macht geltend, dass die Situationen bei einem Gebietsfremde betreffenden Erwerb von Todes wegen und bei einem solchen Erwerb, an dem ein Gebietsansässiger beteiligt sei, objektiv unterschiedlich seien. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung eines Gebietsfremde betreffenden Erwerbs von Todes wegen und eines solchen Erwerbs mit Beteiligung eines Gebietsansässigen in Bezug auf die Erbschaftsteuer für in Deutschland belegene Grundstücke sei daher objektiv gerechtfertigt.
38 Nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung wird die Höhe der Erbschaftsteuer für in Deutschland belegene Immobilien sowohl nach dem Wert dieser Immobilien als auch nach Maßgabe der persönlichen Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Erben berechnet. Weder das eine noch das andere dieser beiden Kriterien hängt aber von deren Wohnort ab. Außerdem sieht die in Rede stehende nationale Regelung sowohl den Begünstigten eines zwischen Gebietsfremden eröffneten Nachlasses als auch den eines Nachlasses, an dem zumindest ein Gebietsansässiger beteiligt ist, für die Zwecke der Erhebung der Erbschaftsteuer auf in Deutschland belegene Immobilien als Steuerpflichtige an. In beiden Fällen ergibt sich nämlich für die Zwecke der Berechnung der Erbschaftsteuer die Bestimmung der Steuerklasse und des Steuersatzes aus denselben Vorschriften. Nur in Bezug auf die Bestimmung der steuerpflichtigen Bereicherung des Begünstigten behandelt diese Regelung für die Zwecke der Ermittlung der Erbschaftsteuer für in Deutschland belegene Immobilien Erwerbe durch Vererbung unter Gebietsfremden und Erwerbe unter Beteiligung eines Gebietsansässigen unterschiedlich.
39 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber dadurch, dass er für die Zwecke der Besteuerung von Grundstücken auf der einen Seite gebietsfremde Erben, die diese Immobilie von einem gebietsfremden Erblasser erworben haben, und auf der anderen Seite gebietsfremde oder gebietsansässige Erben, die eine solche Immobilie von einem gebietsansässigen Erblasser erworben haben, sowie gebietsansässige Erben, die diese Immobilie von einem gebietsfremden Erblasser erworben haben, auf die gleiche Stufe stellt, selbst davon ausgegangen ist, dass zwischen diesen beiden Kategorien von Erben im Hinblick auf die Modalitäten und die Voraussetzungen für die Bemessung der Erbschaftsteuer keine objektiv unterschiedliche Situation besteht (vgl. idS Urteil v. 17.10.2013 – C-181/12, Welte, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269 Rn. 51).
40 Zwar ist, wie die deutsche Regierung geltend macht, zum einen die deutsche Steuerhoheit in Fällen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht bei Erwerben von Todes wegen unter Gebietsfremden auf das inländische Grundvermögen beschränkt, während sich diese Steuerhoheit in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht bei Erwerben von Todes wegen, an denen mindestens ein Gebietsansässiger beteiligt ist, auf alle übertragenen Vermögensgegenstände erstreckt. Zum anderen wird im Ausgangsverfahren im Gegensatz zu den Bestimmungen, die Gegenstand ua des Urteils v. 17.10.2013, Welte (C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269) waren, die Höhe des Freibetrags, der auf die beschränkt steuerpflichtigen Erben anwendbar ist, nicht mehr pauschal, sondern im Verhältnis des Wertes des Vermögens, über das diese Steuerhoheit ausgeübt wird, zum Wert des gesamten Nachlassvermögens bestimmt.
41 Diese Umstände können jedoch die Schlussfolgerung in Rn. 39 des vorliegenden Urteils nicht entkräften. In den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht variiert nämlich die Höhe des Freibetrags nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung keineswegs je nach der Höhe der Bemessungsgrundlage, die in die deutsche Steuerhoheit fällt. Wie sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Informationen ergibt, wird dieser Freibetrag, der sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erben und dem Erblasser richtet, jedem Erben allein wegen dessen Eigenschaft als in Deutschland Erbschaftsteuerpflichtiger ohne Weiteres gewährt, um durch die Herabsetzung der Höhe der Erbschaft die Steuerfreiheit eines Teils des Familienvermögens sicherzustellen. In Bezug auf die Besteuerung, die sich aus der Ausübung der Steuerhoheit durch die Bundesrepublik Deutschland ergibt, befindet sich ein beschränkt steuerpflichtiger Erbe aber in einer Situation, die mit der eines unbeschränkt steuerpflichtigen Erben vergleichbar ist, da, ebenso wie die Eigenschaft als Steuerpflichtiger nicht vom Wohnort abhängt, weil die fragliche Regelung unabhängig davon, ob Erblasser und Erbe in Deutschland wohnhaft sind oder nicht, jeden Erwerb dort belegener Immobilien der Erbschaftsteuer unterwirft, weder die Art des zwischen Erblasser und Erbe bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses noch das Ziel der teilweisen Befreiung des Familienvermögens vom Wohnort abhängt (vgl. idS Urteil v. 17.10.2013 – C-181/12, Welte, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269 Rn. 53).
42 So könnte eine Person, die von Todes wegen erworben hat und deren Steuerbemessungsgrundlage in Deutschland aus Immobilien besteht, die denen entsprechen, für die die Klägerin des Ausgangsverfahrens der Erbschaftsteuer unterliegt, wenn sie diese Vermögensgegenstände von einer Person mit Wohnsitz in Deutschland erworben hat, zu der ein Verwandtschaftsverhältnis bestand, oder wenn sie dort ihren Wohnsitz hat und diesen Gegenstand von einer Person erworben hat, die nicht dort gewohnt hatte, im Unterschied zur Klägerin des Ausgangsverfahrens den gesamten nach der deutschen Regelung vorgesehenen Freibetrag beanspruchen.
43 Daraus folgt, dass die von der deutschen Regierung angeführten Umstände im Hinblick auf den Freibetrag nicht zu einem objektiven Unterschied zwischen der Situation des gebietsfremden Erben eines gebietsfremden Erblassers einerseits und der Situation eines gebietsfremden Erben eines gebietsansässigen Erblassers oder der eines gebietsansässigen Erben eines gebietsansässigen oder gebietsfremden Erblassers andererseits führen können (vgl. idS Urteil v. 17.10.2013 – C-181/12, Welte, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269 Rn. 55).
44 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die Zuerkennung eines Freibetrags wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende objektiv vergleichbare Situationen betrifft.
Zur Rechtfertigung der Beschränkung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses
45 Nach Ansicht der deutschen Regierung kann diese unterschiedliche Behandlung ua mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Kohärenz der deutschen Steuerregelung zu wahren.
46 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass die Notwendigkeit der Gewährleistung der Kohärenz einer Steuerregelung eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann. Jedoch ist eine solche Rechtfertigung nur zulässig, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung dargetan ist, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs anhand des Ziels der fraglichen Regelung beurteilt werden muss (Urteil v. 17.10.2013 – C-181/12, Welte, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269 Rn. 59).
47 Im vorliegenden Fall macht die deutsche Regierung, wie in Rn. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, geltend, dass der in § 16 ErbStG vorgesehene Freibetrag, dessen Höhe vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Erben abhänge, im Rahmen der Erbschaftsteuer, mit der die sich aus einem Erwerb von Todes wegen ergebende Bereicherung besteuert werden solle, durch die Herabsetzung der Höhe der Erbschaft die Steuerfreiheit eines Teils des Familienvermögens sicherstellen solle. Insbesondere solle er bei engen Familienangehörigen sicherstellen, dass jedem dieser Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn überkommene Nachlass teilweise oder, bei kleineren Erwerben innerhalb der Familie, völlig frei von der Erbschaftsteuer zugutekomme.
48 Nach § 16 Abs. 1 ErbStG können die Erwerber den gesamten Freibetrag beanspruchen, wenn sich die steuerliche Belastung, auf die er sich bezieht, auf den gesamten erworbenen Nachlass erstreckt.
49 Dagegen sieht § 16 Abs. 2 ErbStG vor, dass der Freibetrag, den der Erbe aufgrund seines Verwandtschaftsverhältnisses zum Erblasser beanspruchen kann, im Verhältnis zu dem Teil der Bereicherung des Erben vermindert wird, der nicht der Steuerhoheit Deutschlands unterliegt.
50Somit stellt eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Freibetrag, den der Erbe geltend machen kann, und dem Umfang der Steuerhoheit in Bezug auf die sich für ihn aus dem Erwerb von Todes wegen ergebende Bereicherung her.
51 Im Übrigen ist im Hinblick auf die in Rn. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsätze zum einen festzustellen, dass dieser Zusammenhang geeignet ist, die Erreichung des mit dieser Regelung verfolgten Ziels zu gewährleisten. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung gewährleistet nämlich, dass bei einer Gesamtbereicherung in gleicher Höhe der gewährte Freibetrag einen gleichwertigen Anteil des steuerpflichtigen Teils der Erbmasse darstellt, unabhängig davon, ob die Situation einer unbeschränkten oder einer beschränkten Steuerpflicht vorliegt.
52 Diese Regelung vermeidet somit, dass die Steuerkraft eines beschränkt steuerpflichtigen Erben dadurch, dass es ihm gestattet wird, den Freibetrag in voller Höhe in Anspruch zu nehmen, obwohl sich dieser Freibetrag nicht auf eine steuerliche Belastung bezöge, die auf die gesamte aus der Erbübertragung resultierende Bereicherung erhoben wird, systematisch zu niedrig angesetzt wird.
53 Zum anderen geht diese Regelung nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, da der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Freibetrag entsprechend dem Umfang der von Deutschland ausgeübten Steuerhoheit im Verhältnis zum gesamten Nachlassvermögen beansprucht wird. Insbesondere ergibt sich aus dieser Regelung, dass der beschränkt steuerpflichtige Erbe, wenn die von diesem Mitgliedstaat besteuerten Immobilien dem gesamten Nachlass entsprechen, wie ein unbeschränkt steuerpflichtiger Erbe das Recht hat, den gesamten Freibetrag in Anspruch zu nehmen, der aufgrund seines Verwandtschaftsverhältnisses mit dem Erblasser vorgesehen ist.
54 Daraus folgt, dass im Unterschied zu den Rechtsvorschriften, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil v. 17.10.2013, Welte (C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662, DStR 2013, 2269), ergangen ist, die für die Fälle der beschränkten Steuerpflicht einen pauschalen Freibetrag vorsahen, die Beschränkung des Kapitalverkehrs iSv Art. 63 Abs. 1 AEUV, die sich aus einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen ergibt, soweit sie sich auf den Freibetrag auf die Besteuerungsgrundlage bezieht, durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren.
55 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage gegenüber dem Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat gehabt hätte, um einen Betrag gemindert wird, der dem Verhältnis des Wertes des in diesem Mitgliedstaat nicht der Besteuerung unterliegenden Vermögens zum Gesamtwert des Nachlasses entspricht.
Zur zweiten Frage
56 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Nachlasswert abzugsfähig sind, während diese Verbindlichkeiten vollständig abgezogen werden können, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte.
57Aus den Erwägungen in den Rn. 27–30 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass zu prüfen ist, ob eine solche nationale Regelung eine Beschränkung des Kapitalverkehrs iSv Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt und wenn ja, ob diese Beschränkung gerechtfertigt ist.
Zum Vorliegen einer Beschränkung iSv Art. 63AEUV
58 Wie in Rn. 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt, gehören in Erbschaftsfällen Maßnahmen, die eine Wertminderung des Nachlasses einer Person bewirken, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dem sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden, zu den Maßnahmen, die Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs darstellen.
59 Im vorliegenden Fall sieht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung vor, dass der Erbe im Fall eines Nachlasses, der in Deutschland belegene Immobilien umfasst, wenn weder der Erblasser noch der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls in diesem Mitgliedstaat wohnte, die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen kann, während diese Abzugsfähigkeit besteht, wenn der Erblasser oder der Erbe zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz in Deutschland hatte.
60 Folglich führt eine solche Regelung, die die Möglichkeit, die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen in Bezug auf im Inland belegene Immobilien von der Steuerbemessungsgrundlage für den Nachlass abzuziehen, vom Wohnort des Erblassers und des Erben zum Zeitpunkt des Erbfalls abhängig macht, dazu, dass Erbschaften zwischen Gebietsfremden, die solche Vermögensgegenstände betreffen, einer höheren steuerlichen Belastung unterliegen als solche, an denen zumindest ein Gebietsansässiger beteiligt ist, und mindert somit den Wert dieses Nachlasses. Daraus folgt, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Beschränkung des Kapitalverkehrs iSv Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt (vgl. entsprechend Urteil v. 11.9.2008 – C-11/07, Eckelkamp ua, ECLI:EU:C:2008:489, DStRE 2009, 560 Rn. 45 u. 46).
Zum Vorliegen einer Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nach Art. 65 AEUV
61 Daher ist zu prüfen, ob die festgestellte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nach Art. 65 Abs. 1Buchst. a AEUV gerechtfertigt sein kann und ob im Licht der in den Rn. 35 und 36 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründe die Ungleichbehandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder ob sie einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses entspricht und ob sie ggf. geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Zur Vergleichbarkeit der fraglichen Situationen
62 Wie sich aus den Rn. 37–39 des vorliegenden Urteilsergibt, besteht bzgl. der Höhe der Erbschaftsteuer, die für in Deutschland belegene Immobilien zu entrichten ist, kein objektiver Unterschied zwischen Erbschaften unter Personen, von denen zum Zeitpunkt des Erbfalls keine in diesem Mitgliedstaat wohnt, und Erbschaften unter Personen, von denen zu diesem Zeitpunkt mindestens eine in diesem Staat wohnt.
63 Diese Beurteilung kann nicht durch das Vorbringen der deutschen Regierung in Frage gestellt werden, dass im Unterschied zu der ua aus dem Urteil v. 11.9.2008, Eckelkamp ua (C-11/07, ECLI:EU:C:2008:489, DStRE 2009, 560), hervorgegangenen Rechtsprechung, die sich auf die Abzugsfähigkeit von Belastungen einer Immobilie beziehe, die Gegenstand einer Nachlassbesteuerung sei, die Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den in Deutschland belegenen, der Erbschaftsteuer unterworfenen Immobilien stünden.
64 Unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht beziehen sich die Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen nämlich zumindest teilweise auf die in Deutschland belegenen Immobilien, über die die Bundesrepublik Deutschland damit ihre Steuerhoheit ausübt.
65 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende objektiv vergleichbare Situationen betrifft.
Zur Rechtfertigung der Beschränkung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses
66 Die deutsche Regierung macht als Erstes geltend, dass diese unterschiedliche Behandlung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden könne, die Kohärenz ihrer Steuerregelung zu wahren.
67 Wie in Rn. 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann die Notwendigkeit, die Kohärenz eines Steuersystems zu wahren, eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen. Allerdings hängt eine solche Rechtfertigung davon ab, dass ein unmittelbarer Zusammenhang dargetan wird zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss.
68 Im vorliegenden Fall bringt die deutsche Regierung vor, dass die Bestimmungen über die Abzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen darauf abzielten, die Feststellung des tatsächlichen Vermögenszuwachses zu ermöglichen, der sich aus dem Erwerb von Todes wegen ergebe und aufgrund dessen Erbschaftsteuer zu entrichten sei.
69 Die Ungleichbehandlung, die sich aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung ergibt, lässt sich jedoch nicht mit der Notwendigkeit rechtfertigen, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren, da § 10 Abs. 6 ErbStG, wie der Generalanwalt in Nr. 104 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, den Abzug der Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen ausschließt, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls weder der Erblasser noch der Erwerber des Nachlasses seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, und zwar, wie aus Rn. 64 des vorliegenden Urteils hervorgeht, selbst dann, wenn diese Verbindlichkeiten zumindest teilweise einen hinreichenden Zusammenhang mit den Gegenständen des Nachlasses aufweisen, über die die Bundesrepublik Deutschland ihre Steuerhoheit ausübt, und einem Teil des Nachlasses entsprechen, der keine Bereicherung der beschränkt steuerpflichtigen Erben darstellt.
70 Die deutsche Regierung macht als Zweites geltend, dass eine Ungleichbehandlung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende durch das Territorialitätsprinzip und die Notwendigkeit der Gewährleistung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein könne, wobei es sich durchaus um ein vom Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel handelt (Urteil v. 8.6.2016 – C-479/14, Hünnebeck, ECLI:EU:C:2016:412, DStR 2016, 1360 Rn. 65).
71 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ungleichbehandlung in Bezug auf die Abzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen allein aus der Anwendung der betreffenden deutschen Regelung ergibt. Außerdem legt die deutsche Regierung nicht dar, weshalb die Berücksichtigung der Verpflichtungen aus Pflichtanteilen, wenn diese mit Immobilien in Zusammenhang stehen, über die die Bundesrepublik Deutschland ihre Steuerhoheit im Rahmen einer Teilbesteuerung ausübt, diesen Mitgliedstaat dazu bringen würde, auf einen Teil dieser Steuerhoheit zugunsten anderer Mitgliedstaaten zu verzichten, oder die Besteuerungsbefugnis dieses Mitgliedstaats beeinträchtigen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile v. 8.6.2016 – C-479/14, Hünnebeck, ECLI:EU:C:2016:412, DStR 2016, 1360 Rn. 66; v. 22.6.2017 – C-20/16, Bechtel, ECLI:EU:C:2017:488, DStRE 2018, 7 Rn. 70).
72 Soweit dieser Mitgliedstaat geltend macht, dass eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei, um einen doppelten Abzug der Verbindlichkeiten aus Pflichtanteilen zu vermeiden, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats das Recht, sich auf die Bestimmungen des AEUV zu berufen, nicht dadurch verliert, dass er steuerliche Vorteile nutzt, die ihm nach den in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnstaat geltenden Vorschriften legal offenstehen (Urteil v. 22.4.2010 – C-510/08, Mattner, ECLI:EU:C:2010:216, DStR 2010, 861 Rn. 41und die dort angeführte Rspr.).
73 Sodann besteht, wie die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat und vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht, zwischen Deutschland und Österreich kein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer. Unter diesen Umständen kann sich der Mitgliedstaat, in dem die zum Nachlass gehörenden Immobilien belegen sind, zur Rechtfertigung einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die auf seiner Regelung beruht, nicht auf eine von seinem Willen unabhängige, dem Erben gewährte Möglichkeit eines ähnlichen Abzugs berufen, den ein anderer Mitgliedstaat gewährt und der ganz oder teilweise die Benachteiligung ausgleichen könnte, die der Erbe erleidet, weil in dem Mitgliedstaat, in dem diese Immobilien belegen sind, bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht abzugsfähig sind (vgl. ua Urteile v. 11.9.2008 – C-11/07, Eckelkamp ua, ECLI:EU:C:2008:489, DStRE 2009, 560Rn. 67 u. 68; v. 11.9.2008 – C-43/07, Arens-Sikken, ECLI:EU:C:2008:490, DStRE 2009, 731 Rn. 64 u. 65, sowie v. 22.4.2010 – C-510/08, Mattner, ECLI:EU:C:2010:216, DStR 2010, 861 Rn. 42).
74 Ein Mitgliedstaat kann sich nämlich nicht auf das Bestehen eines von einem anderen Mitgliedstaat einseitig gewährten Vorteils berufen, um seinen Verpflichtungen aus dem AEUV, insbesondere denen aus den Vorschriften über den freien Kapitalverkehr, zu entgehen (vgl. ua Urteil v. 22.4.2010 – C-510/08, Mattner, ECLI:EU:C:2010:216, DStR 2010, 861 Rn. 43 und die dort angeführte Rspr.).
75 Daraus folgt, dass die Beschränkung des Kapitalverkehrs iSv Art. 63 Abs. 1 AEUV, die sich aus einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ergibt, soweit sie die Nichtabzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen betrifft, weder mit der Notwendigkeit, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren, noch mit dem Territorialitätsprinzip und der Notwendigkeit der Gewährleistung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt werden kann.
76 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Nachlasswert abzugsfähig sind, während diese Verbindlichkeiten vollständig abgezogen werden können, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte.