OLG Köln, Beschl. v. 9.12.2020 – 2 Wx 293/20

Zentrale Normen: EuErbVO Art. 10, 19, 21

(Maßgebliches Verfahrensrecht für die inländische Anordnung einer Nachlasspflegschaft bei einem Erblasser mit letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort im Ausland)

 

Leitsätze:

1. Deutsche Gerichte sind international für die Anordnung der Nachlasspflegschaft für in Deutschland befindliche Vermögenswerte eines mit letztem gewöhnlichen Aufenthaltsort im Ausland verstorbenen Erblassers zuständig.

2. Die Anordnung und die Überwachung der Nachlasspflegschaft richtet sich nach deutschen Sachvorschriften, auch wenn auf die Erbfolge ausländisches Recht Anwendung findet.

 

Aus den Gründen:

II.

 11 Die sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes, über die gem. §§ 35 Abs. 5 FamFG, 568 S. 1 ZPO ein Mitglied des Senats als Einzelrichter entscheidet, weil die angefochtene Entscheidung von einer Rechtspflegerin erlassen worden ist, ist gem. §§ 35 Abs. 5 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

12 In der Sache hat die sofortige Beschwerde indes keinen Erfolg. Das Nachlassgericht hat zu Recht ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € gegen den Beteiligten festgesetzt.

13 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Anordnung der Nachlasspflegschaft und Aufsichtsmaßnahmen gegenüber dem Nachlasspfleger ergibt sich hier gem. Art. 10 Abs. 1 Ziff. a) EuErbVO. Der Erblasser hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes in Brasilien, d.h. nicht in einem Mitgliedsstaat der EuErbVO. Es befindet sich Vermögen des Erblassers in Deutschland und der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger.

14 Die Festsetzung des Zwangsgeldes richtet sich nach deutschen Sachvorschriften. Zwar ist hier gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO auf die Erbfolge grundsätzlich brasilianisches Recht anzuwenden, weil der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Brasilien hatte und eine Rück- oder Weiterverweisung gem. Art. 34 EuErbVO im Hinblick auf die Wohnsitzanknüpfung im brasilianischen Recht nicht in Betracht kommt. Maßnahmen der Nachlasssicherung wie die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. §§ 1960, 1961 BGB sind indes als verfahrensrechtliche Befugnisse zu qualifizieren, die auch im Falle eines ausländischen Erbstatuts bestehen und durch ein deutsches Gericht als Teil der lex fori ausgeübt werden dürfen (MüKo-BGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO, Art. 19 Rn. 3; Zimmermann, Rpfleger 2017, 2, 3). Dies gilt für die Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen einer unterbliebenen Rechnungslegung im Rahmen einer auf Antrag angeordneten Nachlasspflegschaft im Sinne von § 1961 BGB gem. Art. 29 Abs. 1, Abs.3 EuErbVO jedenfalls dann, wenn – wie hier – das auf die Erbfolge anzuwendende Recht das Recht eines Drittstaates ist (MüKo-BGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO, Art. 29 Rn. 16; Dutta/Weber/Magnus, Internationales Erbrecht, 2016, EuErbVO, Art. 29 Rn. 6, 45).

15 Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gem. § 35  FamFG liegen vor. Die Pflicht zur Rechnungslegung gem. §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1840 BGB besteht gegenüber dem Gericht und kann von diesem grundsätzlich durch Zwangsgeld gem. §§ 35 Abs. 1 FamFG, 1915 Abs. 1 S. 1,1837 Abs. 3 BGB durchgesetzt werden (Palandt/Götz, BGB, 79. Aufl. 2020, § 1840 Rn. 5). Das Nachlassgericht hat den Beteiligten mehrfach zur Rechnungslegung aufgefordert und ihm letztlich eine Frist zur Vorlage gesetzt. Für den Fall des Unterlassens hat das Nachlassgericht angedroht, ein Zwangsgeld festzusetzen (§ 35 Abs. 2 FamFG). Dabei hat es die Höhe des Zwangsgeldes mit 1.000,00 € auch angegeben (vgl. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 5. Aufl. 2020, Rn. 721). Der Beteiligte hat die Anordnung des Nachlassgerichts auch schuldhaft nicht befolgt. Nach §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1840 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 BGB hat der Nachlasspfleger dem Nachlassgericht (§ 1962 BGB) jährlich über seine Vermögensverwaltung Rechnung zu legen. Nach §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1841 BGB soll die Rechnung eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, über den Ab- und Zugang des Vermögens Auskunft geben und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, mit Belegen versehen sein. Hier ist eine Rechnungslegung in diesem Sinne über die Verwaltung des Nachlasses, die auch vom Aufgabenkreis des Nachlasspflegers mitumfasst ist, nicht erfolgt. Der Beteiligte hat zwar ein Vermögensverzeichnis vorgelegt und in seinen Berichten Angaben zur Verwaltung des Nachlasses gemacht. Es fehlt indes eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie die Vorlage der entsprechenden Belege. Die Frist von einem Jahr nach Bestellung des Nachlasspflegers ist längst abgelaufen. Auch die Höhe des Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden.