BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - IV ZB 33/20
Zentrale Normen: Art. 22 Abs. 2 und 83 Abs. 2 EuErbVO
(Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments zur Bestimmung einer Rechtswahl)
Anmerkung des Verfassers:
Der BGH fasst das deutsche gemeinschaftliche Testament als Erbvertrag nach Art. 25 EuErbVO im Sinne des Unionsrechts auf.
Die Zulässigkeit eines gemeinschaftlichen Testaments richtet sich nach dem jeweiligen Heimatrecht der Testierenden. Die formelle Wirksamkeit richtet sich nach Art. 27 EuErbVO, wobei zu beachten ist, dass nach Art. 75 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO das Haager Testamentsformübereinkommen grundsätzlich Vorrang hat.
Materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen richten sich gemäß Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 EuErbVO nach dem fiktiven Erbstatut, zu dem die engste Verbindung besteht.
Für die Bindungswirkung kann nach Art. 83 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 Abs. 3 EuErbVO jedes Recht gewählt werden, das ein Beteiligter für seine Rechtsnachfolge von Todes wegen gem. Art. 22 EuErbVO hätte wählen können. Nach der Übergangsregelung des Art. 83 Absatz 2 EuErbVO ist eine solche Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der EuErbVO erfüllt. Sie umfasst alle Rechtswahltatbestände der EuErbVO und damit auch eine Teilrechtswahl des Errichtungsstatutes nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO (BGH NJW 2019, 3449, 3450).
Im Urteil geht es um die Frage, ob das Vorliegen einer (konkludenten) Rechtswahl auf Grundlage des potentiell gewählten Rechts oder unionsrechtsautonom zu beantworten ist.
Aus den Gründen:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligten zu 1 und 2 oder die Beteiligten zu 3 bis 6 Miterben der am 22. Mai 2017 verstorbenen deutschen Staatsangehörigen Dr. H. B. (im Folgenden: Erblasserin) geworden sind. Die Erblasserin sowie ihr am 19. Juni 2003 vorverstorbener Ehemann, österreichischer Staatsangehöriger, hatten ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt seit 1995 in Bad Reichenhall. Am 25. März 1996 errichteten sie in zwei getrennten, aber im Wesentlichen wortgleichen eigenhändig ge- und unterschriebenen Urkunden zwei mit „Gemeinschaftliches Testament“ überschriebene Schriftstücke folgenden Wortlauts:
„Ich, Frau Dr. H.B. … bin deutsche Staatsangehörige und habe keine Kinder.
Ich, Herr Prof. E.G. … bin österreichischer Staatsangehöriger und habe als einzigen Abkömmling meine am … geborene Tochter …, die ihrerseits verheiratet und österreichische Staatsangehörige ist.
Wir sind miteinander seit 30.V.95 verheiratet …
…
I.
Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
II.
Nach dem Tod des Zweiten von uns sollen gemeinsame Schlusserben
a) Frau G.G. …
b) Herr U.G. …
c) Frau B.G. …
d) Frau S.H. …
(Beteiligte zu 3 bis 6)
zu gleichen Teilen sein.
III.
Die hier getroffene Verfügung von Todes wegen (Erbeinsetzung, Schlusserbeneinsetzung u. Vermächtnisanordnung) sind wechselseitig verbindlich. Sie können zu unserer beider Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden. Nach dem Tod eines von uns beiden ist der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt, die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnung abzuändern.
…“
Die am 10. Oktober 2017 nachverstorbene Beteiligte zu 4 ist die Schwester der Erblasserin, die Beteiligten zu 3, 5 und 6 sind die Kinder der Beteiligten zu 4. Mit Testament vom 7. November 2013 verfügte die Erblasserin, dass sie ihr „Haus und Inventar“ sowie ihr „Barvermögen“ den Beteiligten zu 1 und 2 vererbe. Bereits mit einem auf den 1. November 2011 datierten Testament hatte sie angeordnet, dass die Beteiligte zu 1 nach ihrem Ableben 30.000 € und diverse Möbelstücke erhalten solle. In einem weiteren eigenhändig ge- und unterschriebenen Schreiben der Erblasserin vom 4. Dezember 2013 heißt es unter anderem:
„Sollte meine Schwester oder mein Neffe sowie Nichten von meinen Konten Geld abgehoben haben, müssen sie diese an den Erben zurückbezahlt werden. Ich hatte ihnen nie erlaubt Geld abzuheben.
Dieses Geld gehört zur Erbmasse…“
3 Die Beteiligten zu 1 und 2 haben nach dem Tod der Erblasserin die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts beantragt, dass sie Erben zu je 1/2 geworden sind. Das Nachlassgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 19. April 2018 zurückgewiesen, da sich die Erbfolge nach dem am 25. März 1996 errichteten gemeinschaftlichen Testament richte. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgen.
II.
4 Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZEV 2021, 28 (m. Anm. von Bary a.a.O. 38) veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Erbfolge nach der Erblasserin richte sich nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996, dessen Bindungswirkung den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe. Die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments, das unionsrechtlich einen Erbvertrag darstelle, richte sich nach dem durch Art. 83 Abs. 3, 1. Alt. i. V.m. Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EuErbVO) berufenen deutschen Recht als Recht des Staates, in dem die Erblasserin sowie ihr Ehemann ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätten. Das gemeinschaftliche Testament sei ferner gemäß Art. 25 Abs. 2 i.V.m. Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 EuErbVO formell und materiell wirksam. Auch insoweit sei jeweils auf deutsches Recht abzustellen. Schließlich entfalte das gemeinschaftliche Testament vom 25. März 1996 Bindungswirkung, die den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe. Auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments finde deutsches Recht Anwendung. Dies ergebe sich aus einer entsprechenden konkludenten Rechtswahl. Nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO könnten die Parteien eines Erbvertrages im unionsrechtlichen Sinne auch für die Bindungswirkung ihres Erbvertrages einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen sei, gemäß Art. 22 EuErbVO unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Das Testament enthalte zwar keine ausdrückliche Wahl deutschen Rechts. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO erfasse jedoch auch eine konkludente Wahl deutschen Rechts. Das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl nach der EuErbVO sei unionsautonom und nicht unter Rückgriff auf das hypothetische Rechtswahlstatut zu entscheiden. Auf dieser Grundlage hätten die Erblasserin und ihr verstorbener Ehemann für die Bindungswirkung übereinstimmend konkludent deutsches Recht gewählt, was sich insbesondere aus der verwendeten Terminologie sowie dem Zusammenspiel der Ziffern I bis III des Testaments ergebe.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Frage zugelassen, ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl nach der EuErbVO unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische Rechtswahlstatut zu entscheiden sei. Diese Frage sei entscheidungserheblich, da nach deutschem Recht hier nicht von einer konkludenten Wahl deutschen Rechts auszugehen sei. Es bestünden nicht genügend Anhaltspunkte, um bei den an dem gemeinschaftlichen Testament Beteiligten ein nach deutschem Recht für eine konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein annehmen zu können.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
§§ 2270 Abs. 2, 2271 Abs. 2 BGB den späteren Verfügungen der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 entgegensteht.
Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass den Beteiligten zu 1 und 2 kein Anspruch auf Erteilung eines Erbscheins zusteht, der ihre Erbfolge zu je 1/2 ausweist. Die Erbfolge der Erblasserin richtet sich vielmehr nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996, dessen Bindungswirkung gemäß
a) Das Beschwerdegericht hat zunächst rechtsfehlerfrei entschieden, dass das zwischen der Erblasserin und ihrem Ehemann am 25. März 1996 errichtete gemeinschaftliche Testament einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO darstellt. Die EuErbVO ist anwendbar, da es sich um einen Nachlass mit grenzüberschreitendem Bezug handelt, der sich hier aus der österreichischen Staatsangehörigkeit des Ehemannes der deutschen Erblasserin ergibt (zum grenzüberschreitenden Bezug vgl. etwa , , Urteil vom 16. Juli 2020, C-80/19ECLI:EU:C:2020:569, ZEV 2020, 628 Rn. 42-44, 39; MünchKomm-BGB/Dutta, 8. Aufl. Art. 1 EuErbVO Rn. 61).
Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Hierunter fällt auch das gemeinschaftliche Testament nach deutschem Recht, das wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 BGB enthält (vgl. MünchKomm-BGB/Dutta, 8. Aufl. Art. 3 EuErbVO Rn. 11). Demgegenüber liegt hier kein gemeinschaftliches Testament nach Art. 3 Abs. 1 c) EuErbVO vor, da es an der nach dieser Regelung erforderlichen Errichtung der letztwilligen Verfügung in einer einzigen Urkunde fehlt.
GemäßArt. 83 Abs. 1 EuErbVO diese Verordnung auf ihre Rechtsnachfolge Anwendung. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO bestimmt, dass eine - wie hier - vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam ist, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist. Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht angegriffen entschieden, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute vom 25. März 1996 zulässig (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 EuErbVO i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 1 EuErbVO) sowie formell (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. Art. 27 EuErbVO) und materiell wirksam ist (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 EuErbVO).
Da die Erblasserin am 22. Mai 2017 verstorben ist, findet gemäß
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht ferner rechtsfehlerfrei entschieden, dass auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 25. März 1996 deutsches Recht Anwendung findet. Zutreffend ist es zunächst davon ausgegangen, dass die Frage, ob auf die Bindungswirkung deutsches oder österreichisches Recht Anwendung findet, hier nicht offenbleiben kann, da bindende Verfügungen von Todes wegen nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts nach österreichischem Erbrecht allein in Erbverträgen möglich sind, die besonderer notarieller Form bedürfen, welche hier nicht gewahrt ist.
Art. 25 Abs. 3 EuErbVO können die Parteien für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung ihres Erbvertrages einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 EuErbVO unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Die Vorschrift des Art. 25 Abs. 3 EuErbVO findet hier über Art. 83 Abs. 2 EuErbVO Anwendung. Hatte hiernach der Erblasser das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem 17. August 2015 gewählt, so ist diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO erfasst nach der Rechtsprechung des Senats auch Erbverträge und gestattet eine entsprechende Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - IV ZB 22/18, BGHZ 222, 365 Rn. 12 f.).
Nach
aa) Gemäß Art. 22 Abs. 2 EuErbVO muss die Rechtswahl ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Eine ausdrückliche Rechtswahl haben die Erblasserin und ihr Ehemann noch den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996 nicht getroffen.
Art. 25 EGBGB Rn. 21 (Stand: 1. November 2020); Burandt/Schmuck in Burandt/Rojahn, EuErbVO Art. 22 Rn. 6; jurisPK-BGB/Sonnentag, 9. Aufl., Art. 22 EuErbVO Rn. 20 f.; Staudinger/Dörner, EGBGB (2007) Art. 25 Rn. 535). Demgegenüber ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, auf der Grundlage einer unionsautonomen Auslegung des Begriffs der konkludenten Rechtswahl hätten die Erblasserin und ihr verstorbener Ehemann hier im Testament vom 25. März 1996 für die Bindungswirkung übereinstimmend deutsches Recht gewählt.
Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Erblasserin und ihr Ehemann konkludent deutsches Recht für die Frage der Bindungswirkung gewählt haben. Die Frage, ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische Rechtswahlstatut - hier auf das deutsche Recht - zu entscheiden ist, ist nach der Lösung des Beschwerdegerichts entscheidungserheblich, da dieses angenommen hat, dass nach deutschem Recht von einer konkludenten Wahl deutschen Rechts nicht auszugehen sei, weil nicht genügend Anhaltspunkte bestünden, um bei den an dem gemeinschaftlichen Testament Beteiligten ein nach deutschem Recht für eine konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein anzunehmen (vgl. hierzu BeckOK-BGB/Lorenz,Burandt/Rojahn, Erbrecht 3. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 6; jurisPK-BGB/Sonnentag, 9. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 20; Leitzen, ZEV 2013, 128, 129; Pfeiffer, IPrax 2016, 310, 313; wohl auch Dörner, ZEV 2012, 505, 511; Schaub, Die EU-Erbrechtsverordnung in Hereditare - Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht 2013, S. 91, 115).
Die Frage, worauf bei der Rechtswahl für die Bindungswirkung abzustellen ist, ist streitig. Teilweise wird vertreten, insoweit sei auf das hypothetisch gewählte Recht abzustellen (so etwa Köhler in Gierl/Köhler/ Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht 3. Aufl., Teil 1 EuErbVO § 4 Rn. 30; ders. in Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht 2. Aufl., Teil 3 Internationales Erbrecht EuErbVO Art. 22 Rn. 10; Burandt/Schmuck inMünchKomm-BGB/Dutta, 8. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 14; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 28; Erman/Stürner, BGB 16. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 12; Palandt/Thorn, BGB 80. Aufl. Art. 22 EuErbVORn. 6; BeckOGK/J. Schmidt, EuErbVO Art. 22 Rn. 21 (Stand: 1. November 2020); Zimmermann/Grau, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze EuErbVO Rn. 195; Schauer in Deixler-Hübner/Schauer, Kommentar zur EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) 2. Aufl. Art. 22 Rn. 14; Bauer in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht Art. 22 EuErbVO Rn. 19; Odersky in Hausmann/Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis 3. Aufl. § 15 Rn. 117; von Bary, ZEV 2021, 38, 39; Cach/Weber, ZfRV 2013, 263, 265; Nordmeier, GPR 2013, 148, 151 f.; Fornasier, FamRZ 2020, 1956 f.; Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO, S. 187 f.; D. Stamatiadis, in Pamboukis, EU Succession Regulation No 650/2012 Art. 22 Rn. 56; in diese Richtung auch OLG Köln ZEV 2019, 633 Rn. 10).
Die überwiegende Auffassung nimmt demgegenüber - wie auch das Beschwerdegericht - an, dass die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, unionsautonom zu bestimmen ist (
bb) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Für eine unionsautonome Auslegung der konkludenten Rechtswahl spricht schon der Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO. Hiernach muss sich die Rechtswahl aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben. Damit hat der Unionsgesetzgeber bereits selbst eine Bestimmung des Begriffs der konkludenten Rechtswahl vorgegeben (NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 28). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung - wie hier - nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (, , Urteil vom 1. März 2018, C 558/16ECLI:EU:C:2018:138, ZEV 2018, 205 Rn. 32 zur Qualifikation des § 1371 BGB).
Art. 17 Abs. 2 EuErbVO sah noch ausdrücklich vor, dass die Wahl des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts ausdrücklich erfolgen muss (vgl. NK-BGB/Looschelders aaO Rn. 27; MünchKomm-BGB/Dutta, 8. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 13; Zimmermann, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze, 2. Aufl. EuErbVO Rn. 195). Demgegenüber hat sich der Verordnungsgeber dann nach dem Vorbild von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-Verordnung entschlossen, auch eine konkludente Rechtswahl zuzulassen (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, EuErbVO Art. 22 Rn. 20 [Stand: 1. November 2020]; Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO, S. 188; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. Art. 22 Rn. 27; MünchKomm-BGB/Dutta, 8. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 13). Dabei werden - anders als Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-Verordnung - an die konkludente Rechtswahl keine qualifizierten Anforderungen gestellt. Während es gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-Verordnung erforderlich ist, dass sich die Rechtswahl eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben muss, genügt für Art. 22 Abs. 2 EuErbVO bereits eine Rechtswahl, die sich aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergibt. Dieser Unterschied rechtfertigt sich daraus, dass es bei der EuErbVO nicht um die konkludente Rechtswahl durch zwei Parteien eines Vertrages mit möglicherweise widerstreitenden Interessen geht, sondern um eine einseitige konkludente Rechtswahl durch den Erblasser. Da hier seinem Willen zur Geltung verholfen werden soll, erschien es sachlich gerechtfertigt, für die konkludente Rechtswahl eine niedrigere Schwelle als in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-IVerordnung anzusetzen (BeckOKG/J. Schmidt, EuErbVO Art. 22 Rn. 20 [Stand: 1. November 2020]). Auch im Rahmen der Rom-I-Verordnung wurde bereits überwiegend vertreten, dass die Frage, ob das Verhalten der Parteien als konkludente Rechtswahl anzusehen ist, unionsautonom auszulegen ist (BeckOGK/Wendland, Rom I-VO Art. 3 Rn 126 [Stand: 1. Februar 2020]; Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO, S. 186, 188 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der EU-Verordnungsgeber im Rahmen der EuErbVO eine andere Anknüpfung wählen wollte, sind nicht ersichtlich.
Eine derartige Verweisung auf nationales Recht lässt sich auch der Entstehungsgeschichte nicht entnehmen. Der Kommissionsvorschlag von 2009 zuErwägungsgründe 39 und 40 der EuErbVO. Nach Erwägungsgrund 39 sollte eine Rechtswahl ausdrücklich in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Eine Rechtswahl könne als sich durch eine Verfügung von Todes wegen ergebend angesehen werden, wenn z.B. der Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staates, dem er angehöre, genommen habe oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt habe. Der EU-Verordnungsgeber hat damit selbst Kriterien für eine unionsautonome Rechtswahl aufgestellt. Diese wären überflüssig, wenn es für die Frage der konkludenten Rechtswahl nicht auf eine unionsautonome Auslegung, sondern auf eine solche nach dem hypothetisch gewählten nationalen Recht ankäme (NK-BGB/ Looschelders 3. Aufl., Art. 22 EuErbVO Rn. 28; Odersky in Hausmann/ Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Aufl. § 15 Rn. 117). Hierfür spricht auch Satz 1 von Erwägungsgrund 40. Hiernach sollte eine Rechtswahl nach dieser Verordnung auch dann wirksam sein, wenn das gewählte Recht keine Rechtswahl in Erbsachen vorsieht. Käme es auf das hypothetisch gewählte materielle Recht an, so wären diese Erwägungen überflüssig, wenn es in der gewählten Rechtsordnung keine - oder jedenfalls keine konkludente - Rechtswahl gäbe (vgl. auch Nordmeier, GPR 2013, 148, 152, 153).
Für eine unionsautonome Auslegung sprechen ferner in systematischer Hinsicht dieArt. 22 Abs. 3 EuErbVO nicht entgegen. Hiernach unterliegt die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, durch die die Rechtswahl vorgenommen wird, dem gewählten Recht. Insoweit bestimmt Satz 2 von Erwägungsgrund 40, die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die Rechtswahl getroffen werde, solle sich nach dem gewählten Recht bestimmen, d.h. ob davon auszugehen sei, dass die Person, die die Rechtswahl treffe, verstanden habe, was dies bedeute, und dem zustimme. Mit der materiellen Wirksamkeit sind hier - entsprechend der Regelung in Art. 26 Abs. 1 EuErbVO - etwa die Testierfähigkeit, Testierverbote, die Zulässigkeit der Stellvertretung, die Auslegung der Verfügung sowie Willensmängel gemeint. Hierauf kommt es indessen erst nach der Beantwortung der vorrangigen Frage an, ob der Erblasser - ausdrücklich oder konkludent - eine bestimmte Rechtsordnung gewählt hat (vgl. Schauer in Deixler-Hübner/Schauer, Kommentar zur EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) 2. Aufl. Art. 22 Rn. 16; Nordmeier, GPR 2013, 148, 153; Erman/Stürner, BGB 16. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 12).
Dem steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch22 Für eine unionsautonome Auslegung spricht nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ferner die Anwendung einheitlicher Kriterien zur Bestimmung, ob im jeweils zu beurteilenden Fall die Voraussetzungen für eine konkludente Rechtswahl vorliegen oder nicht. Das Abstellen auf das hypothetisch gewählte Recht hätte demgegenüber - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht hinweist - zur Folge, dass in vergleichbaren Fallkonstellationen gegebenenfalls unterschiedliche Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl zu stellen wären mit der Folge einer uneinheitlichen Beurteilung, wann im Rahmen von Art. 22 Abs. 2 EuErbVO eine konkludente Rechtswahl vorliegt.
23 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Übergangsbestimmungen des Art. 83 EuErbVO von dem Ziel geprägt sind die Wirksamkeit - früherer - Verfügungen von Todes wegen soweit irgend möglich aufrechtzuerhalten, sie aber gegebenenfalls auch zu heilen (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - IV ZB 22/18, BGHZ 222, 365 Rn. 28; für die Anwendung des Grundsatzes des favor testamentii auch BeckOGK/J. Schmidt, EuErbVO Art. 22 Rn. 26 [Stand: 1. November 2020]; Bauer in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht Art. 22 Rn. 20; a.A. Magnus, IPrax 2019, 8, 10; BeckOK BGB/Lorenz, Art. 25 EGBGB a.F. Rn. 21 [Stand: 1. November 2020]).
cc) Ausgehend von einer unionsautonomen Auslegung der konkludenten Rechtswahl hat das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Erblasserin und ihr Ehemann in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996 deutsches Recht gewählt haben. Für die konkludente Wahl einer bestimmten nationalen Rechtsordnung kann es insbesondere sprechen, wenn der Erblasser Begriffe oder Rechtsinstitute verwendet, die gerade in dieser Rechtsordnung spezifisch sind (vgl. Satz 2 Erwägungsgrund 39 zur EuErbVO; ferner OLG Köln ZEV 2019, 633 Rn. 10: Bezugnahme auf Vorschriften rumänischen Rechts in einem Testament; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 28; Palandt/Thorn, BGB 80. Aufl. Art. 22 EuErbVO Rn. 6; Bauer in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht Art. 22 EuErbVO Rn. 20). Hier haben die Erblasserin und ihr Ehemann unter anderem den Begriff der Schlusserben verwendet, der im deutschen Recht anerkannt ist (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. September 2016 - IV ZR 513/15, ZEV 2016, 641 Rn. 13), nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts im österreichischen Recht hingegen keine Verwendung findet. Außerdem haben die Ehegatten bestimmt, dass ihre Verfügung von Todes wegen wechselseitig verbindlich sein soll und zu ihren Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden kann, während nach dem Tod eines Ehegatten der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt ist, die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnungen abzuändern. Auch damit haben die Erblasserin und ihr Ehemann Bezug auf die Regelungen des deutschen Rechts in den §§ 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB genommen, während im österreichischen Recht nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts gerade keine Bindung des überlebenden Ehegatten an ein gemeinschaftliches Testament besteht.
c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist im Streitfall nicht veranlasst, da die richtige Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen der Europäischen Erbrechtsverordnung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik, Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur autonomen Auslegung der Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts (, ECLI:EU:C:2018:138, , Urteil vom 1. März 2018, C-558/16ZEV 2018, 205 Rn. 32) derart offenkundig sind, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum verbleibt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - IV ZB 22/18, BGHZ 222, 365 Rn. 32; , Association France Nature Environnement, C-379/15, ECLI:EU:C:2016:603, ABl. EU 2016 Nr. C 350 S. 11 [juris Rn. 53]; vom 1. Oktober 2015, Doc Generici, C-452/14, ECLI:EU:C:2015:644, , Urteile vom 28. Juli 2016GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43; vom 6. Oktober 1982, CILFIT, C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415 Rn. 16, 21).
III.
§ 84 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i. V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG.
Die Entscheidung wegen der Kosten beruht auf