Welches Recht wird auf den Erbfall angewendet?
Sowohl aus spanischer, als auch aus deutscher Sicht, wird das - auf Erbfälle ab dem 17.08.2015 - anwendbare Recht nach den Regeln der europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) bestimmt. Nach Artikel 21 EuErbVO wird auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers abgestellt. Dies ist der Ort, an dem sich der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes tatsächlich aufgehalten hat und aufhalten wollte und an dem er sozial integriert war.
Vorrangig wäre aber eine eventuelle Rechtswahl des Erblassers, die konkret geprüft werden müsste. Weitere Informationen - mit Beispielen - erhalten Sie in unserem Artikel zum anwendbaren Recht nach der EuErbVO.
Beispiel: Die Ehegatten M (Mann) und F (Frau) leben im gesetzlichen ehelichen Güterstand in Spanien (keine Foralregion). Sie haben zwei gemeinsame Kinder K1 und K2. Aus einer früheren Ehe hat M noch ein Kind K3.
Das Vermögen besteht aus einem Bankkonto in Deutschland und einer Immobilie in Spanien.
M verstirbt am 01.08.2020 in Spanien (keine Foralregion). In diesem Staat hielt er sich vor seinem Tod gewöhnlich auf. Ein Testament existiert nicht.
Im vorliegenden Fall kommt es nicht auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Da der Fall nach Inkrafttreten der EuErbVO spielt, ist der gewöhnliche Aufenthalt bzw. eine vorrangige Rechtswahl maßgeblich. Hier liegt kein Testament und auch keine isolierte Rechswahl vor. Es kommt daher nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt an. Dieser liegt in Spanien. Daher ist das spanische Erbrecht anwendbar. Eine weitergehende Präzisierung zu Foralrechten ist an dieser Stelle nicht erforderlich.
Besonderheit Spaniens - Interregionales Recht
Was Spanien besonders macht, ist sein interregionales Recht. Die spanische Rechtsordnung ist auf dem Gebiet des Erbrechts in ein allgemeines und mehrere spezifische Gebietserbrechte (Foralrechte) gespalten. Diese Besonderheit muss auch bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts berücksichtigt werden. Hielt sich der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes gewöhnlicherweise in Spanien auf, so ist nach Artikel 36 Absatz 1 EuErbVO dessen interregionales Recht zu berücksichtigen. Dieses beruft das Erbrecht zur Anwendung, dessen Gebietszugehörigkeit (vecindad civil) der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes hatte, Art. 14.1, 16.1 CC.
Beispiel: Der Erblasser war spanischer Staatsangehöriger, verstarb auf Mallorca und hatte dessen Gebietszugehörigkeit. Nach der EuErbVO wäre spanisches Erbrecht anwendbar. Dieses beruft nun aufgrund dessen internem Kollisionsrecht das mallorcinische Erbrecht zur Anwendung.
Problematisch wird es, wenn der Erblasser nicht spanischer Staatsangehöriger war. Spanien sieht eine Gebietszugehörigkeit nur für dessen eigene Staatsangehörige vor. Ausländer können bei der direkten Anwendung des Kollisionsrechts nicht nach einem Foralrecht beerbt werden. Auswirkungen hätte dieses Ergebnis unter anderem auf den Gebieten der gesetzlichen Erbfolge und der Wirksamkeit von vertragsmäßigen letztwilligen Verfügungen.
Zur Lösung des Problems werden zwei Auffassungen vertreten, die aber letztlich zum selben Ergebnis kommen. Zum einen soll in diesen Fällen Art. 36 Absatz 2 EuErbVO das entsprechende Foralrecht direkt berufen können. Das interne spanische Recht würde also umgangen. Zum anderen wird vertreten, das interne Kollisionsrecht solle analog auf Ausländer angewendet werden können und insoweit das Kriterium der Staatsangehörigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt ersetzt werden können. In beiden Fällen würde dennoch auch für Ausländer das entsprechende Foralrecht anwendbar sein.
Ist der Erblasser also in einer Region mit eigenem Foralrecht verstorben, wird dessen Erbrecht angewendet. Weitere Infos erhalten Sie in unseren Artikeln zu den Foralrechten. Für Fragen steht Ihnen Ihr Fachanwalt für Erbrecht in Düsseldorf und Krefeld Dr. Michael Gottschalk zur Verfügung.