Gibt es in Frankreich ein Pflichtteilsrecht?
In Frankreich haben die Kinder und der überlebende Ehegatte ein sogenanntes Noterbrecht. Sie werden zu einem bestimmten Teil so am Nachlass beteiligt, als ob sie selber Erben wären - sie erhalten also mehr, als einen Geldanspruch. Das heißt umgekehrt aber auch, der Erblasser kann nur über einen Teil des Nachlasses selbstbestimmt verfügen, den sogenannten Freiteil (quotité disponible). Der Rest seines Vermögens, der sogenannte Vorbehaltsteil (réserve), bleibt den Noterben vorbehalten
Welcher Vorbehaltsteil steht den Kindern zu?
Nach Art. 913 Code civil beträgt der Vorbehaltsteil bei einem Kind die Hälfte, bei zwei Kindern zwei Drittel und bei drei oder mehr Kindern drei Viertel. Nur über den Teil, der nicht den Kindern zusteht, kann der Erblasser selbst verfügen.
Welcher Vorbehaltsteil steht den Kindern zu?
Dem überlebenden Ehegatte steht grundsätzlich nur dann ein Noterbrecht zu, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge hinterlässt, Art. 914-1 Code civil. Dann erhält er ein Viertel des Nachlasses.
Zu beachten ist, dass die Ehegatten vertraglich die Gütergemeinschaft (communauté universelle) nach Art. 1497 ff. Code civil wählen können. Dann können sie eine Vollerwerbsklausel hinsichtlich des Gemeingutes (clause d’attribution intégrale) zugunsten des überlebenden Ehegatten in den Vertrag aufnehmen. Haben die Ehegatten nur gemeinsame Kinder, erben diese sodann erst nach dem Letztversterbenden, Art. 1525 Code civil.
Beispiel: Die Ehegatten M und F leben im gesetzlichen ehelichen Güterstand. Sie haben ein gemeinsames Kind. M verstirbt in Frankreich und hat durch Testament das gemeinsame Kind von der Erbfolge ausgeschlossen und alles der F zugewandt. Das Kind will nun wissen, welche Ansprüche es hat.
Das Kind ist noterbberechtigt. Es erhält nicht bloß Geld, sondern ein dingliches Recht am Nachlass. Da keine weiteren Kinder existieren, beträgt sein Noterbteil die Hälfte des Nachlasses. Der Erblasser kann also nur eine Hälfte der Ehefrau zuwenden, die andere Hälfte bleibt dem Kind vorbehalten. Sein Recht muss das Kind gerichtlich durchsetzen.
Wie setze ich den Vorbehaltsteil durch?
1. Herabsetzungsklage
Sollte der Vorbehaltsteil durch Schenkungen oder eine Verfügung von Todes wegen reduziert werden, können die Noterben im Wege einer Herabsetzungsklage (action en réduction) nach Art. 921 ff. Code civil hiergegen vorgehen.
Die Klage ist innerhalb von fünf Jahren nach ein Eintritt der Erbfalls zu erheben (Art. 921 II Code civil). Sollte der Erbe erst später Kenntnis von der Verletzung des Noterbrechts erfahren, gilt eine Frist von zwei Jahren ab Erlangung der Kenntnis.
2. Im Vornhinein erfolgender Versicht auf die Herabsetzungsklage
Bereits zu Lebzeiten des Erblassers kann ein volljähriger, potentieller Erbe nach Art. 929 ff. Code civil auf die Erhebung der Herabsetzungsklage verzichten. Hierbei handelt es sich um einen ausnahmsweise zulässigen Erbvertrag nach Art. 929 I Code civil.
Bei einem solchen ist insbesondere auf die zwingenden Formerfordernisse zu achten. Der Verzicht muss in Form einer öffentlichen Urkunde von zwei Notaren beurkundet werden, wobei ein Notar vom Vorsitzenden der Notarkammer des Départments bestellt werden muss (Art. 930 Code civil).
Die Urkunde muss die konkreten Rechtsfolgen des Verzichts präzise aufzeigen und darf nicht missverstanden werden.
Der Verzicht auf eine Herabsetzungsklage wird in der Praxis häufig mit einer Schenkung verbunden.
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