Nachlasspfleger - Beschränkungen des Wirkungskreises und der Aufgaben
Wen vertritt der Nachlasspfleger?
Sind die Erben nicht bekannt und besteht ein Interesse daran, den Nachlass zu sichern, so kann das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger bestellen. Gemäß § 1960 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt ist oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. Der von dem Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 2 BGB zu bestellende Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des Erben. In dieser Eigenschaft und nicht etwa als Vertreter des Nachlasses bzw. treuhänderische Amtsperson hat er seiner Hauptaufgabe, der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, für den wirklichen Erben nachzukommen mit nach außen grundsätzlich unbeschränkter Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis. In diesem Zusammenhang hat der Nachlasspfleger den Nachlass zu erhalten, zu verwalten und die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben wahrzunehmen.
Wann sind Erben unbekannt bzw. wann liegt ein Sicherungsbedürfnis vor?
Ein Sicherungsanlass liegt vor, wenn der Erbe dem Nachlassgericht unbekannt ist oder der bekannte Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat. Ausreichend ist, wenn aus Sicht des Gerichts nicht unerhebliche Zweifel an der Erbenstellung oder der Annahmeerklärung bestehen. Unbekannt ist ein Erbe, wenn mehr als unerhebliche Zweifel an seiner Existenz oder Identität bestehen. Bei der Beurteilung, ob der Erbe unbekannt ist, ist vom Standpunkt des Nachlassgerichts bei der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen auszugehen. Kann sich der Tatrichter nicht ohne umfängliche Ermittlungen davon überzeugen, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen Erbe geworden ist, so gilt der Erbe als unbekannt. So liegt eine Unbekanntheit auch dann vor, wenn die Höhe der Erbquoten unklar ist.
Ein Sicherungsbedürfnis besteht, wenn der Bestand des Nachlasses ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen durch das Nachlassgericht gefährdet ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn zum Nachlass ein Wohnungseigentum gehört, für das zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig Leistungen zu erbringen sind und zu besorgen ist, dass ungerechtfertigte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in größerem Ausmaß gegen den Nachlass stattfinden. Am Sicherungsbedürfnis fehlt es indes, wenn eine zuverlässige Nachlassverwaltung durch den vorläufigen Erben, Miterben oder Verwandten des Erblassers gewährleistet ist.
Kann ein Nachlasspfleger auch bestellt werden, wenn nur einige Erben unbekannt sind, andere Erben jedoch bekannt sind?
Ja, auch dann wenn es mehrere Erben gibt, von denen nur einige bekannt sind, andere aber nicht besteht die Möglichkeit, für die unbekannten Erben einen Nachlasspfleger zu bestellen. Das Nachlassgericht hat dann einen Beschluss über eine Teil-Nachlasspflegschaft zu fassen. Der Nachlasspfleger vertritt dann nur die unbekannten Erben und nicht auch die bereits bekannten Erben.
Insbesondere dann, wenn es nur Erben weiter entfernter Ordnungen gibt, kann es dazu kommen, dass es auf der einen Seite bekannte Erben gibt, deren (Mindest-)Erbquoten feststehen und auf der anderen Seite weitere Erben denkbar sind, die jedoch (noch) nicht bekannt sind. Sind beispielsweise die Verwandten der dritten Ordnung väterlicherseits bekannt, so ist klar, dass die Erbteile dieser Verwandten zusammen mindestens ½ des Erbens ausmachen. Für diese bekannten Erben wäre dann ein Teilerbschein zu beantragen, in dem die Erbteile dieser Erben ausgewiesen würden und zusammen ½ betragen.
Sind dann aber die Verwandten der dritten Ordnung mütterlicherseits unbekannt, so wäre für diese, und zwar nur für diese eine Teil-Nachlasspflegschaft anzuordnen. Es ist also zu beachten, dass – soweit eine Mehrheit von Erben in Betracht kommt – für jeden Erbteil und jeden möglichen Erben gesondert zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen einer Nachlasspflegschaft vorliegen. Sind nur einzelne Erben unbekannt, kann keine Gesamtpflegschaft angeordnet werden. Insoweit kommt nur eine Teilpflegschaft für den unbekannten Erben in Betracht
Welches Rechtsmittel ist einzulegen, wenn die Anordnung der Nachlasspflegschaft fehlerhaft war?
Bei der Anordnung der Nachlasspflegschaft handelt es sich gem. § 3 Nr.2 lit. c) RPflG um eine Entscheidung der Rechtspflegerin/des Rechtspflegers. Gegen diese ist gem. § 11 Abs.1 RPflG dasjenige Rechtsmittel statthaft, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Das Gericht hat im Wege eines Beschlusses entschieden, der nach § 38 Abs.1 FamFG eine Endentscheidung darstellt. Statthaft ist daher die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG. Im Rahmen der Beschwerde ist ein bestimmter Antrag nicht erforderlich. Dem Beschwerdevorbringen muss aber bei wohlwollender Auslegung entnommen werden können, was mit der Beschwerde erstrebt wird. Insbesondere solle erkennbar sein, ob der Beschluss in vollem Umfang oder nur teilweise angefochten wird. Zu beachten ist, dass ein Beschluss, durch den dem Antrag des Erben, die Nachlassverwaltung anzuordnen, stattgegeben wird, nicht anfechtbar ist, vgl. § 359 Abs.1 FamFG.
Kann die Bestellungsurkunde des Nachlasspflegers eingezogen werden?
Eine § 353 FamFG entsprechende Vorschrift, die die Einziehung der Bestellungsurkunde des Nachlasspflegers regelt, besteht nicht. Im Falle des Erfolgs einer Beschwerde gegen den Bestellungsbeschluss wird die Bestellung des Nachlasspflegers aufgehoben. Dann hat der Nachlasspfleger die Bestallung selbst zurückzugeben.
Kann ein Nachlasspfleger die Erbschaft für die unbekannten Erben ausschlagen?
Der Nachlasspfleger ist insbesondere nicht berechtigt, die Erbschaft für die unbekannten Erben anzunehmen oder auszuschlagen. Dass der Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben nicht deren Erbenstellung durch Annahme oder Ausschlagung beeinflussen darf, kommt auch unmittelbar im Wortlaut von § 1960 BGB zum Ausdruck, wonach das Nachlassgericht, soweit ein Bedürfnis besteht, "bis zur Annahme der Erbschaft" die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Nachlasses zu treffen hat und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen kann. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben zustehendes Recht.
Kann ein Nachlasspfleger eine Erbschaft des Erblassers ausschlagen, die in den Nachlass gefallen ist (so genannter Unternachlass)?
Nicht selten kommt es vor, dass zum Nachlass wiederum eine Erbschaft gehört, die dem Erblasser noch vor seinem eigenen Ableben angefallen ist. Wurde für den Nachlass ein Pfleger bestellt, z.B. weil die Erben unbekannt sind, so stellt sich auch hier die Frage, ob der Nachlasspfleger die Erbschaft, die in den Nachlass des Erblassers gefallen ist, ausschlagen kann, wenn der Erblasser selbst die Erbschaft noch gar nicht angenommen hatte und der Erblasser verstorben ist bevor die Ausschlagungsfrist abgelaufen war. Eine Ausschlagung dieser in den Nachlass gefallenen anderweitigen Erbschaft könnte z.B. wirtschaftlich sinnvoll sein, wenn dieser Unternachlass überschuldet ist. Die Ausschlagung der in den Nachlass gefallenen Erbschaft hat auch nichts mit dem Bestand der Haupterbschaft zu tun, deretwegen der Nachlasspfleger überhaupt bestellt wurde. Gleichwohl ist höchstrichterlich entschieden, dass der Nachlasspfleger auch eine in den Nachlass gefallene Erbschaft nicht für die (Erbes-)Erben ausschlagen kann. Auch dieses Recht soll als höchstpersönlich nur vom (Erbes-)Erben ausgeübt werden können. Gemäß § 1952 Abs. 1 BGB ist das Recht des Erben, die Erbschaft auszuschlagen, vererblich. Stirbt der Erbe vor dem Ablauf der Ausschlagungsfrist, so endigt die Frist nicht vor dem Ablauf der für die Erbschaft des Erben vorgeschriebenen Ausschlagungsfrist (§ 1952 Abs. 2 BGB). Die Ausschlagungsfrist des Erbeserben für den Unternachlass endet mithin, selbst wenn sie für den verstorbenen Erben bereits zu laufen begonnen hatte, frühestens mit dem Ende der Ausschlagungsfrist hinsichtlich des Hauptnachlasses.